Aromatisches, Kräuter, Lebensmittel

Geschichte der Kräuter

Die heilsame Wirkung vieler Pflanzen war schon den Menschen in der Steinzeit bekannt.

Bereits am Anfang der Menschheitsgeschichte spielten Pflanzen eine wichtige Rolle für den Menschen, der ja nicht wie wir heute in den Supermarkt gehen konnte und dort alles bekam, was er brauchte. Nahrung, Kleidung und Arznei musste er sich in der Natur sammeln, und das tat er auch! Und so nutzte er die Pflanzen zur Faserherstellung für Seile und Kleidung, zur Ernährung, zur Ölgewinnung für Lampen und als Nahrung, als Farbstoff, als Heilkraut oder für psychoaktive Zwecke. Man fand im heutigen Irak ein Grab der Neandertaler, das zwischen 50.000 und 70.000 Jahre alt sein soll, in dem sieben verschiedene Heilkräuter gefunden wurden, darunter waren die heute noch bekannte Malve und das wunderschöne Tausendgüldenkraut.

Überall auf der Welt scheinen Vögel und Tiere instinktiv zu wissen, was die beste Hilfe für das gesundheitliche Problem ist, das sie gerade haben. Auch bei domestizierten Tieren scheint das zum Teil erhalten geblieben zu sein. Ihre angeborene Fähigkeit, die passende Heilpflanze zu wählen, wurde hart durch Versuch und Irrtum erlernt und weitergegeben.

Weniger intuitiv müssen wir Menschen vorgehen, denn wir können lernen und forschen, und inzwischen haben wir eine breite Grundlage über die Wirkung der Heilkräuter. Als Basis dafür diente in früheren Zeiten aber dennoch die Beobachtung der Tiere in freier Wildbahn. Unsere Hunde, Katzen, Vögel, Pferde und all die anderen Tiere waren die ersten Naturheilkundler und unsere Lehrer.

Das erlangte Wissen wurde niedergeschrieben und weitergegeben und erweitert, zusammengefasst, überprüft – teilweise wurde auch so einiges “Magische” hinzugedichtet, wenn man sich etwas nicht erklären konnte.

Man fand Tabletten der alten Sumerer, die zeigen, dass sie ihre Medikamente aus pflanzlichen und mineralischen Verbindungen mit Flüssigkeiten oder Lösungsmitteln gemischt haben, wie zum Beispiel mit Wein, Bier, Honig oder mit pflanzlichen Ölen.

Babylonische Tontafeln aus dem 3000 v. Chr. zeigten schon den Import von Kräutern aus fernen Ländern. Im Jahr 2005 fand man fast 1000 solcher Tontafeln im heutigen Irak, die aus dem Zeitraum von 2000 – 150 v. Chr. stammen. Diese Tafeln ergaben ein damaliges “Standard-Diagnose-Handbuch” der damaligen Zeit mit Behandlungsmethoden bei unterschiedlichen Krankheiten.
Um den gleichen Zeitraum herum entstanden in Kulturen in China, Ägypten und Indien schriftliche Aufzeichnungen über Heilpflanzen. Die heutige traditionelle chinesische Medizin begann mit dem Text Huang Ti Nei Ching (des Gelben Kaisers Klassiker der Inneren Medizin), der angeblich von dem legendären chinesischen Herrscher Huang Ti etwa 2697 v. Chr. verfasst wurde. Die Kräuterkunde ist ein wichtiger Aspekt der traditionellen chinesischen Medizin.

 

Die altägyptische Medizin bezieht sich auf die Praktiken der Heilung, die zwischen 3300 v. Chr. bis zur persischen Invasion von 525 v. Chr. entstanden. Doch die berühmtesten Texte aus dem alten Ägypten sind die um ca. 1550 v. Chr. entstandenen Texte des “Papyrus Ebers”. Hier wurden schon genauere Behandlungsmethoden beschrieben, wie zum Beispiel die, wie man Asthma mit “einer Mischung aus Kräutern auf einem Backstein erhitzt, so dass der Leidende ihre Dämpfe einatmen konnte.”

Kleopatra, die wunderschöne und geschichtemachende Königin im alten Ägypten, soll das Gel der Aloe als kosmetisches Schönheitsmittel angewandt haben, die Priester und auch das normale Volk waren in Sachen Pflanzenheilkunde aber ebenso bewandert.

 

Indiens traditionelle Medizin, Ayurveda, die zuerst in den vedischen religiösen Schriften um 1200 v. Chr. beschrieben wurde, verfügt sowohl über Kräuter als auch über Ernährung als zentrale Mittel. Mehrere prominente ayurvedische Kräuter wie Kurkuma, Kardamom und Koriander sind auch heute noch weltweit im Einsatz, und wenn es “nur” in der indischen Küche ist.

 

Wie bei der traditionellen chinesischen Medizin liegt das Ziel der ayurvedischen Kräuterkunde darin, über eine Neujustierung der Energie im Körper eine optimale körperliche, geistige und seelische Gesundheit zu erlangen.

 

Auf der anderen Seite der Welt, in mittelamerikanischen Kulturen aus der Zeit um 2000 v. Chr. bis zur Zeit der Eroberung Mexikos durch den spanischen Eroberer Hernando Cortes im Jahre 1519, verwendeten die Ärzte des aztekischen Reiches viele Kräuter, darunter Kakaoblätter und andere natürliche Ressourcen, um Krankheiten zu verhindern, zu behandeln und zu heilen.

Erst viel später, in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Nordamerika, entdeckten die eingewanderten europäischen Siedler von den Indianern neue Heilpflanze und Heilmittel, die sie in ihr mitgebrachtes Wissen aufnahmen.

 

Die alten Griechen waren die Ersten, die in Europa die Kunst des Heilens mit Kräutern kultivierten. Es gibt schriftliche Überlieferungen des Pflanzenwissens der Griechen, aber leider ist es nicht mehr vollkommen, denn durch Kriege, Feuer und Naturkatastrophen ist leider vieles verloren gegangen. Das gilt leider auch für viele Aufzeichnungen anderer Kulturen.

 

Theophrastus von Eresos, ehemaliger Leiter des Lykeion, welches eine Reihe von verschiedenen Bildungseinrichtungen beinhaltete und zur damaligen Zeit quasi den Mittelpunkt des Wissens in der griechischen Welt darstellte, schrieb einige Werke über Pflanzen, in denen er zum Beispiel 550 Pflanzen beschrieb, dabei waren auch viele heilende oder giftige Pflanzen. Die Pflanzenbücher des Aristoteles, der ein großer Wissender zu seiner Zeit war, sind leider verloren.

 

Dioskurides, ein griechischer Militärarzt aus dem ersten Jahrhundert nach Christi, schrieb in griechischer Sprache eine Buchreihe, die von den Römern ins Lateinische übersetzt wurde und fortan als “Materia medica“ berühmt geworden ist. Diese fünf Bücher der Buchreihe sind das erste umfassende Arzneimittelwerk des Altertums. Die Materia medica war im Mittelalter hoch verehrt, alle Heiler, die etwas auf sich hielten, haben zumindest einmal darin gelesen. Nach dem Buchdruck wurde die Buchreihe tausend Mal vervielfältigt und brachte so die Pflanzenmedizin unter das breite Volk.
Plinius, ein Offizier und Beamter des römischen Reiches schrieb bis zu seinem Tode im Jahre 79 nach Christi einige Bücher über seine weite Reisen, die er machen konnte, darunter auch 37 Bücher namens “Naturalis historia”. Er kam wirklich weit in der Welt herum, so als Beamter und Offizier seiner Zeit, denn er kam in weite Teile Europas, also Germanien, Frankreich, Österreich oder Spanien, ebenso nach Syrien, Judäa und in Teile des nördlichen Afrikas.

Und nicht nur dass er viel reiste: Er las auch viel der dortigen Literatur und Aufzeichnungen. So hatte er ein beeindruckendes, breites Wissen, aus dem er in seinen Büchern zitierte. Angeblich soll er hundert verschiedene Autoren griechischer und römischer Bücher in seinen Wissensschatz aufgenommen haben, die anderweitig heute verloren wären – Plinius Bücher existieren aber noch!

 

So weiß man heute zum Beispiel von Plinius, dass die Römer und die Griechen üppige Festmahle liebten, und dass sie ihrer Verdauung etwas Gutes taten, indem sie Gewürze nahmen, die die Verdauung anregten.

 

Durch die Römer kamen viele Pflanzen samt dem Pflanzenwissen in unsere nördlicheren Regionen. Im frühen Mittelalter sorgten dann so ab ca. dem 8. Jahrhundert die Benediktinermönche für die weitere Kultivierung, Erforschung und Verbreitung der Heilkräuter. Die Mönche brachten von allen möglichen Klöstern weltweit ihre Ableger und Samen der Heilpflanzen auch zu uns, wo sie sie in den Kräutergärten anpflanzten.

Dank ihrer Sprachkenntnisse – jeder Mönch konnte ja Latein und Griechisch, konnten sie die alten Aufzeichnungen lesen und deuten, überprüfen, revidieren und erweitern. Gleichzeitig schrieben sie neue Bücher mit neuem Wissen.

 

Jedes Kloster hatte einen Klostergarten, der die Mönche ernährte und der auch für medizinische Zwecke angelegt worden war.

 

So wuchsen neben Obstbäumen, Beerensträuchern und Gemüse dann eben auch Kräuter, die als Gewürz und Heilmittel in schnurgeraden Beten und streng getrennt voneinander einen festen Platz in den Klöstern fanden.

 

Gegen Ende des 8. Jahrhunderts geschah dann etwas, was die Verbreitung der Kräuter stark voranbringen sollte: Kaiser Karl der Große befahl per Erlass, genannt “Capitulare de villis”, der vorgab, welche Pflanzen auf seinen Landgütern angebaut werden sollten. Dazu gehörten unter anderem Thymian, Minze, Melisse, Liebstöckel, Majoran, Salbei. Grund dafür war, dass Karl der Große selbst ein Anhänger der Pflanzenmedizin war, und er so seinem Volk – und nicht zuletzt seinen Soldaten, dies zugutekommen lassen wollte. Wie dem auch sei: Die Kräutermedizin wurde zur Volksmedizin.

 

Walahfried Strabo, der Abt des Klosters auf der Bodenseeinsel Reichenau, schrieb im 9. Jahrhundert den so genannten “Hortulus”. Er beschrieb den Status quo des Pflanzenwissens seiner Zeit, und zwar in Gedichtform.

 

Nicht vergessen sollte man auch die arabischen Lehren und das Wissen aus dem Morgenland, das ebenfalls beträchtlich war, das aber heute ebenso zum Großteil verloren gegangen ist.

Dass zumindest Teile davon noch existieren, müssen wir italienischen und spanischen Schreibern danken, die arabische Schriften ins Lateinische übersetzten. In diesen Schriften wurden zum Beispiel Stoffe wie Moschus, Muskat, Kampfer, Nelken, Ambra und Kaffee beschrieben und kamen so ins Visier der europäischen Heilkundler.
Eine weitere berühmte Heilkundlerin war Hildegard von Bingen, die im Jahre 1098 geboren wurde und bis 1179 lebt. Hildegard war die Äbtissin eines Benediktinerinnenordens, hatte ein recht bewegtes Leben und verfasste zahlreiche Bücher, Gesänge und Gedichte.

Das berühmteste Buch ist die “Physica”. Darin beschreibt sie in 500 einzelnen Abschnitten Heilpflanzen, Giftpflanzen, Mineralstoffe und anderes.

Auch sie lehnte sich an den antiken Wissensschatz an, fügte aber neue Pflanzen hinzu, die bei uns heimisch sind. Dabei beobachtete sie auch teilweise das “normale” Volk, wann und wie es die Kräuter einsetzte.

 

Wie man sieht, gelangte also immer mehr des Pflanzenwissens an das normale Volk – Wissen, das vorher einigen Einzelnen vorbehalten war.

Und so bildete sich nach und nach eine neue Berufssparte, die Apotheker. Apotheker legten sich eigene Apothekergärten an, sie stellten aus den Pflanzen Tees, Salben und Öle her, und wer weiß was noch alles – etwas Mystik war immer dabei.
Wer sich den Apotheker nicht leisten konnte, der ging zur Kräuterfrau, die sicher das passende Kräutlein parat hatte. Diese Kräuterfrauen heilten die gesundheitlichen Problemen der armen Menschen, verwendeten die heilenden Kräfte der Heilpflanzen. Dabei wurde meist auch allerlei Hokuspokus betrieben, denn oft war der vermeintliche Grund für eine Erkrankung ja ein böser Geist, der den Körper schädigte, oder eine Verzauberung, die krank machte. Böse Geister, Liebeszauber, magische Rituale – schnell wirkte das damals auf die Menschen unheimlich, weshalb die Kräuterfrauen bald als Hexen verschrien und verfolgt wurden. Mehrere 10000 Frauen sollen so bei Hexenverbrennungen um ihr Leben gekommen sein. Dunkles Mittelalter, denkt man – doch Halt! Die letzte “Hexe” in Europa war Helen Duncan, eine Frau aus Schottland, die 1944 verhaftet und verurteilt wurde. Sie galt als Wahrsagerin und Geisterbeschwörerin und während der Verhöre gab sie Wissen über die Landung der Alliierten in der Normandie Preis, das sie nie hätte wissen können. So wurde sie vorsichtshalber weggesperrt, aber “nur” 9 Monate lang, bis der Krieg vorbei war.
Aber zurück zu den Kräuterfrauen: Sie waren oft auch die letzte Rettung bei einer Geburt, besonders bei einer schweren Geburt. Denn wenn die Verletzungen und die Schmerzen zu groß wurden, dann kannte die Kräuterfrau auch Betäubungsmittel, die sie der Gebärenden gab. Leider führte dies aber meist ebenso relativ schnell auf den Scheiterhaufen – ach ihr dumme Menschen!
Paracelsus, einer der Kräuterkundler der jüngeren Zeit, sagte im 16. Jahrhundert, dass er selbst einen Großteil seines Wissens diesen Kräuterfrauen verdankte!
Je mehr die Menschen lesen lernten, desto weiter drang das Wissen über die Kräuter und vor allem das Wissen, dass es keine Hexerei ist, in das Volk vor. Und sobald ein Heiler keine Angst mehr haben musste, dass er verbrannt wurde, desto freier und wirksamer konnte er seinen Studien und seiner Kunst nachgehen. Dadurch entstand neues Wissen, und durch den Buchdruck wurde das Wissen immer weiter getragen. Es entstanden Werke wie die bebilderten Kräuterbücher von Hieronymus Bock im Jahre 1539 und Jacobus Theodorus Tabernaemontanus im Jahre 1588.

 

Wie früher in den Klöstern fingen jetzt die Bauern an, Heilpflanzen und Gewürze anzupflanzen. Die Heilkräuter waren plötzlich in größeren Mengen jedermann zugänglich!

 

DIE KRÄUTERKUNDE HEUTE

Die Entstehung der Pharmakologie und die Entdeckungen über die Herstellung heilender pharmakologischer Wirkstoffe im 18. und 19. Jahrhundert waren der Anfang vom Ende der breiten Nutzung von Heilkräutern in der Bevölkerung. Allerdings ist es nie ganz verschwunden. In Großbritannien zum Beispiel überlebte die professionelle Kräuterkunde durch die Einrichtung des National Institute of Medical Herbalists im Jahr 1864.

 

Das New-Age-Bewusstsein der 1960er Jahre führte jedoch zu einem unerwarteten Aufschwung der Kräuterkunde und der komplementären Medizin in den 1980er Jahren, einschließlich einer Belebung der Edward Bach Blütentherapie und der inzwischen sehr beliebten Kunst der Aromatherapie.